Religion ja, aber bitte nur in inkulturalisierten Dosen

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Von einem tragischen zeitlichen Zusammenfall kann man sprechen, wenn derzeit in Dresden tausende Demonstranten regelmäßig mit einer guten Portion Angstmacherei und Vorurteilen über den Islam auf die Straße gehen und in Worms die Aufführungen eines originellen Krippenspiels von der Stadtverwaltung untersagt und das Verbot nun in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Mainz bestätigt wird. Aber die Entscheidung der Wormser Stadtverwaltung hat weder etwas mit dem Islam, noch mit einer „Islamisierung“ oder einer vermeintlichen Rücksichtsname gegenüber den Muslimen zu tun. Vielmehr bestätigt die Wormser Causa die Annahme, bei so mancher Debatte über die Integrationsfähigkeit des Islams gehe es weniger um den Islam selbst, als um die grundsätzliche Rollen- und Bedeutungszuschreibung von Religion und Weltanschauung in der Gesellschaft überhaupt.

Bemerkenswert ist der Fall in Worms, da es hier um die Versagung einer durch und durch christlichen Veranstaltung, der Umsetzung einer Geschichte aus dem Matthäus-Evangelium in ein Krippenspiel geht. Das Problem: Es handelt sich nicht um den Teil der Jesusgeschichte, der „traditionell“ in solchen Vorführungen gespielt wird. Vielmehr soll ein aufwühlender, auch die aktuelle politische Debatte um Flüchtlinge berührender Teil vorgeführt werden. Doch dies könne bei den Besuchern des Weihnachtsmarktes für Irritation sorgen und schließlich zur Störung der öffentlichen Ordnung führen, so die Wormser Stadtverwaltung.

Unabhängig von den Abwägungsfragen um positiver/negativer Religionsfreiheit und der öffentlichen Ordnung zeigt dieses Vorgehen eine besorgniserregende Tendenz dahingehend, religiöse Praktiken dann nicht mehr zu respektieren und zu tolerieren, wenn diese außerhalb des als inkulturalisiert wahrgenommenen Rahmens stehen. Solange das Krippenspiel sich auf die leicht-verdaulichen Aspekte des Besinnlichen, Rührenden und Glücklichen der Jesusgeschichte beschränkt, wird es als eigenes abendländisches Kulturgut gepflegt und geschützt. Erst wenn dieser Rahmen verlassen und der religiös-evangelische Hintergrund wahrnehmbar wird, dann wird die Praxis als unangenehm und irritierend empfunden. Religion, selbst die christliche, scheint über den Rahmen ihrer inkulturalisierten Elemente hinaus nicht mehr unbedingt akzeptabel und respektabel zu sein.

Interessant für die Diskussion um die Integration des Islams ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob es in der einen oder anderen Islam-Debatte tatsächlich Sinn macht, über den Islam aufzuklären. Wenn sich die Skepsis in vielen Fällen eher gegen all das Religiöse richtet, das öffentlich sichtbar und nicht Teil der allgemeinen Folklore ist, dann wird der Aufklärungsdiskurs zu nichts anderem als zu neuem Frust führen. Denn noch vor der Aufklärung über den Islam bedarf es in solch einem Fall einer offenen Diskussion über die Rolle von Religion, Religionsfreiheit und das Aushalten von Differenz in der Gesellschaft.

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