„Dialog“ mit den Sicherheitsbehörden und Literaturlisten

15 Minuten, 29 Sekunden

Einleitung

Die Themen Sicherheit und Terrorismusprävention stellen heute immer noch Hauptpfeiler im Umgang mit den Muslimen und dem Islam in Deutschland dar. Ausgehend von den Terroranschlägen wie dem 11. September oder die Londoner und Madrider Anschläge, aber auch der Gott sei Dank missglückten wie den Kofferbombern, wird auf die Ängste in der Bevölkerung verwiesen und die Notwendigkeit, dem Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung gerecht zu werden, hervorgehoben. Als Orientierungspunkte für dieses gesellschaftliche Unsicherheitsempfinden dienen dabei die von Sicherheitsbehörden aufgestellten konkreten oder abstrakten Bedrohungsszenarien.

Zunehmend wird diese Arbeit nicht einfach nur unter dem Sicherheitsaspekt, sondern immer mehr unter dem Vorzeichen der Integration geführt. Insbesondere von Organisationen wird das nahtlose Einfügen in Sicherheitskonzepte als Voraussetzung der Integration der Organisation und ihrer Mitglieder angesehen. Davon sind insbesondere islamische Religionsgemeinschaften betroffen.

Dialog zwischen Muslimen und Sicherheitsbehörden

Ein konkretes Beispiel für diese Haltung ist der von manchen Politikern immer wieder geforderte und in Teilen geführte sog. „Dialog“ zwischen Muslimen und Sicherheitsbehörden. Bei diesem vermeintlichen “Dialog” handelt es sich zumeist um die Aufgabenwahrnehmung des polizeilichen Staatsschutzes oder der Nachrichtendienste. Gesellschaftlich hat solch ein vermeintlicher Dialog aber fatale Folgen. Von Muslimen, besonders von muslimischen Institutionen wird erwartet, dass sie an solch einem Dialog teilnehmen. Er soll hauptsächlich dazu dienen, zum einen das Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung zu befriedigen und vornehmlich einen möglichen Generalverdacht gegenüber den Muslimen abzubauen. Die Wirkung solch eines “Dialogs” geht aber genau in die entgegengesetzte Richtung.

Aufgaben des Staatsschutzes

Dieser Dialog gehört nicht zum gesetzlichen Aufgabenbereich des Staatsschutzes, der im Rahmen der Moscheegemeinden als Dialogpartner benannt wird. Die gesetzlichen Aufgaben dieser Abteilungen der Polizei sind die Verhütung und die Verfolgung von Straftaten, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht zum Gegenstand haben oder durch Anwendung von Gewalt oder durch entsprechende Vorbereitungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Vom Staatsschutz kann nicht mehr erwartet werden, dass sie auch in diesen „Dialog“-Veranstaltungen ihrem gesetzlichen Auftrag nachgehen. In Bezug auf den Staatsschutz ist dies auch nicht verwerflich. Verwerflich ist es, dies als eine vertrauensbildende Maßnahme darzustellen.

Präventionslogik

Gestützt werden solche Projekte von der neuen Präventionslogik im Umgang mit Muslimen. Nach dieser Logik werden Sicherheitsbehörden nicht erst bei der Anbahnung von Straftaten aktiv. Nicht mehr der Verdacht einer Straftatbegehung ist relevant, sondern schon das Risiko. Die Maßnahmen, richten sich nicht mehr gegen Straftäter und die Straftat. Sie richten sich nach dieser Präventionslogik gegen Personen, von denen man annimmt, dass sie Straftäter werden könnten und gegen Milieus, die Straftäter produzieren könnten.

Religiöse Gebote als politische Handlungsanweisungen

Ein Blick auf einschlägige Publikationen von Sicherheitsbehörden zeigt sehr deutlich diese Wahrnehmung auf. So wird in diesen Publikationen problematisiert, dass religiöse Gebote als politische Handlungsanweisungen verstanden werden. Dabei stellt das BVerfG klar, dass es Teil der Religionsfreiheit ist, dass der Einzelne sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens ausrichtet. Das Beschreiten des ordentlichen Rechtswegs, bei Themen, bei denen es um die Glaubensfreiheit geht, wird als der Versuch “islamische Rechts- und Lebenräume innerhalb der westlichen Gesellschaft zu errichten” verunglimpft. Dabei ist gerade das Bestreiten von Rechtswegen das beste Zeichen dafür, dass dieses Rechtssystem nicht als Fremd empfunden wird. Letztendlich vertraut man sich ja diesem an.

Religiöse Praxis als Bedrohung

Weiterhin werden Positionen im Bereich der Erziehung als Gefahr benannt, weil sie “zu den Gepflogenheiten und Gewohnheiten der so genannten Mehrheitsgesellschaft im Widerspruch stehen” würden. Selbst die Mission für den Glauben, wenn man denn Muslim ist, wird von manch einer Verfassungsschutzbehörde als Bedrohung für die Verfassung wahr genommen. Den Höhepunkt in dieser Runde stellt wohl das Innenministerium von Schleswig-Holstein dar, das den Islam “im Spannungsfeld von drei Erscheinungsformen” sieht: 1. dem aufgeklärten und geistigem Islam, dem sie an sich nur einige “reformorientierte Intellektuelle” zurechnet. Für den gemeinen Muslim bleiben nur zwei Kategorien übrig: der politische Islam und der islamische Terrorismus. Letztendlich wird von der sicherheitspolitischen Seite eine kausale Kette vom Bedürfnis der Stärkung der religiösen Identität bis hin zum Terroristen aufgebaut. Damit steht das gesamte islamische Milieu unter dem Verdacht, eine Durchgangsstelle für den Terrorismus zu sein.

Aufbau eines Generalverdachts

Auf diesem Fundament bauen die Dialog-Bemühungen von Sicherheitsbehörden mit Muslimen auf. Entgegen der vorgegebenen Intention, einem Generalverdacht vorzubeugen, lassen diese Maßnahmen den Verdacht erst entstehen. Von den muslimischen Partnern werden im Rahmen dieses Dialogs “vertrauensaufbauende integrative Maßnahmen” wie vollständige Transparenz, Kommunikation in den Moscheen möglichst ausschließlich in deutscher Sprache, Zensur von Büchern oder öffentlichkeitswirksame Dialogveranstaltungen mit dem polizeilichem Staatsschutz, flächendeckende Benennung von Ansprechpartnern mit großem Einfluss auf die Gemeinden verlangt (siehe insbesondere Schlussfolgerungen des Gesprächskreises, denen Muslime zustimmen sollen).

Dabei verstärkt in der Öffentlichkeit gerade solch eine Zusammenarbeit den Generalverdacht gegenüber den muslimischen Institutionen und den Muslimen. Die Sicherheitsbehörden können so gar nicht als Vermittler zwischen Muslimen und Mehrheitsgesellschaft fungieren. Schon ihre Anwesenheit wird natürlicherweise als Zeugnis für das Bestehen einer Gefahr verstanden. Das Signal, dass sie aussenden, ist schlicht und einfach: „Dies ist das Milieu, aus der Gefahr kommt – Wir haben die Gefahr im Griff“.

Alternative Herangehensweise

Gegen einen Gesprächskreis zwischen den Sicherheitsbehörden und gesellschaftlichen Akteuren an sich ist im Grunde nichts einzuwenden. Die offene Gesellschaft lebt von der Kommunikation, von dem gemeinsamen Gespräch ihrer Akteure. Wichtig ist jedoch die Art und Weise, in der solch ein Gespräch stattfindet, damit die hier angesprochenen Stolpersteine dieses nicht wirkungslos, ja sogar schädlich für das gesellschaftliche Miteinander werden lassen. Diese Gespräche müssten in einem vertraulichen Rahmen stattfinden, ohne den Blick auf die öffentlich wirksame Inszenierung zu richten. Die bisherige öffentliche Inszenierung wirkt für sich schon stigmatisierend und bestätigend, ohne dass sie tatsächlich zur Lösung der bestehenden Probleme beitragen kann.

Weiterhin bedarf es Treffen, die auf gleicher Augenhöhe stattfinden, in denen sich die Sicherheitsbehörden und die muslimischen Religionsgemeinschaften als zwei gesellschaftliche Akteure treffen, um gemeinsam an der Lösung eines Problems zu arbeiten. Dies kann jedoch nicht geschehen, wenn sich ein Partner permanent in der fordernden, der andere in der berichtenden Position wiederfindet. Auch ist es dabei wichtig, besonders auf die Benennungen und insgesamt die Begrifflichkeit zu achten. Diese müssen den rechtsstaatlichen Grundlagen des Gefahrenabwehrrechts genügen und insbesondere der Kulturalisierung der meist sehr vielschichtigen Problemfelder vorbeugen.

Eine wichtige Grundlage für diese Gespräche müssen zudem die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung, nicht nur der Kriminalistik, sondern gerade auch der Migrationsforschung sein. Innerhalb dieses Rahmens, der für ein offen-vertrauliches, nicht zwingend-dominantes Verhältnis steht, in dem der Gegenüber nicht selbst schon als Gefahr beziehungsweise als Problem verortet, sondern als Partner verstanden wird, werden sicherlich alle islamischen Religionsgemeinschaften dem Gespräch mit den Sicherheitsbehörden offen gegenüberstehen.

Selbst- bzw- Nachzensur bzgl. islamischer Literatur

In diese Entwicklung reiht sich auch die „Liste islamischer Literatur, die nicht unkommentiert verkauft bzw. weitergegeben werden soll“. Zum einen verwundert die Leichtigkeit, mit der solch ein Index eingeführt werden soll, insbesondere mit Blick auf die Diskussionslage bezüglich bestehender Indizes. Es stellt sich zumindest die Frage, ob die Schaffung eines muslimischen „Index Librorum Prohibitorum“, das die katholische Kirche ganze vier Jahrhunderte gepflegt hat zum einen zeitgemäß, zum anderen zweckdienlich ist.

Intellektuelle Herabwürdigung der Zielgruppe

Indizes vermeintlich „gefährlicher“ Bücher verfehlen oftmals ihre beabsichtigte Wirkung. Zum einen birgt schon das Vorhandensein eines Indexes ein Dilemma. Es suggeriert nämlich, dass die Zielgruppe des Indexes der intellektuellen Auseinandersetzung mit Literatur nicht im Stande ist und von bestimmten Institutionen, ob nun staatlicher oder religiöser Natur, bevormundet werden muss. Mag sein, dass dies bei Jugendlichen im Zusammenhang mit jugendgefährdenden Werken eine Berechtigung haben kann, doch welche Berechtigung kann solch eine Liste in einer freiheitlichen Gesellschaft für Erwachsene, eigenverantwortliche Individuen haben? Schließlich muss man sich auch bewusst werden, dass es sich bei vielen Werken in der vorgelegten Liste gerade nicht um gewaltverherrlichende Werke handelt. Diese sollen aufgrund ihres weltanschaulichen, religiösen oder gar ihres politischen Inhalts wegen indiziert werden. Eine Unmöglichkeit für ein freiheitliches Gesellschaftssystem, in dem solche Diskrepanzen nicht durch Verbote, sondern durch Debatten geklärt werden.

Eigene intellektuelle Schwäche

Indizes sind insoweit auch ein Zeichen der intellektuellen Schwäche. In fataler Weise zeigen sie auf, dass die ausgebenden oder initiierenden Stellen entweder der Aussage- und Überzeugungskraft der eigenen Aussagen oder der Auffassungskraft der Zielgruppe nicht vertrauen. Insbesondere das Erstellen solch einer Liste für eine Bevölkerungsgruppe, hier die Muslime, wird wiederum bestehende Vorurteile gegen diese verfestigen.

Beispiele des Umgangs mit problematischer Literatur

In Deutschland gibt es nur wenige Beispiele dafür, dass als problematisch erachtete Bücher einer besonderen Behandlung zugeführt werden. Die Indizierung von jugendgefährdenden Medien durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ist eines dieser wenigen Beispiele. Die Indizierung dort beruht jedoch auf einer gesetzlichen Regelung im Jugendschutzgesetz. Inhaltlich ist der Umfang der Indizierung bestimmt. Als jugendgefährdend werden
– alle pornographischen Medien, auch solche, die Kinder und Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen
– alle beschlagnahmten Medien
– Medien, die inhaltsgleich mit bereits indizierten sind
– kriegsverherrlichende Medien
– Hinrichtungsvideos und ähnliches außerhalb von Nachrichten
– die offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden
– die besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen angesehen und indiziert.

Eine weitere Möglichkeit ist die Beschlagnahmung, die bei Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen(§ 86a StGB), Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB), Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB), Gewaltdarstellung (§ 131 StGB), Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Schriften (§ 184a StGB), Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften (§ 184b StGB), Beleidigung (§ 185 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB), also als strafrechtliche Maßnahme in Frage kommt. Aber selbst in diesem Fall ist nur der Verkauf und die „Vorführung“ der betroffenen Medien verboten, nicht der Kauf, noch der Besitz.

Einordnung der GK-Liste

Wie ist jedoch nun die in den GK eingebrachte Liste einzuordnen. Wenn es sich bei den genannten Werken um Bücher handelt, die die Voraussetzungen für die Indizierung oder Beschlagnahme erfüllen, wäre die Aufnahme in solch eine Liste ein zu schwaches Mittel. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, wie soll dann jedoch mit dieser Liste umgegangen werden? Auf welcher gesetzlichen Grundlage soll die Zensur erfolgen?

Bedeutung der Liste

Völlig im Raum stehend ist auch die Frage, welche endgültige Bedeutung solche Listen haben werden. Werden sie eines Tages zum Beispiel Eingang in Aufenthalts- und Einbürgerungsverfahren finden, um über die konsumierte Literatur Rückschlüsse auf die Integrationsfähigkeit der betroffenen Person zu ziehen? Letztendlich macht es einen Unterschied, ob solch eine Liste von einem einzelnen Wissenschaftler aufgrund seiner Forschung publiziert oder von einer staatlichen, mit der Sicherheitspolitik befassten Behörde initiiert wird.

Kriterien der Liste

Zu der nun konkret vorgelegten Liste stellen sich weitere Fragen. Nach welchen Kriterien ist diese Liste erstellt worden? Womit lässt es sich erklären, dass hier nach jeweils eigenem Anspruch wissenschaftliche Autoren neben eher politischen Autoren stehen? Und was ist das Kriterium für die Aufnahme? Eine „orthodox fundamentalistische Position“ und vermeintlich „integrationsfeindliche Tendenzen“ können schwerlich objektive Kriterien für die Aufnahme in solch eine Liste sein. Woraus ergeben sich dieser Begrifflichkeiten? Welche wissenschaftlichen Ansätze liegen den Definitionen zugrunde? Was ist die konkrete, rechtstaatlichen Grundsätzen genügende inhaltliche Bestimmung dieser Begrifflichkeiten?

Zudem ist eine „orthodox fundamentalistische“ Positionierung keine der muslimischen Literatur inhärente Eigenschaft. Und um integrationsfeindliche Literatur auf den Markt zu bringen, muss man kein Muslim sein. Insoweit stellt sich zum Beispiel die Frage, ob bei diesen Kriterien nicht auch evangelikale Werke, als eine Form von „orthodox fundamentalistischen Positionen“ und Werke von Raddatz, Stolz, Spuler-Stegemann, Ulfkotte und ähnlichen, bisweilen als türken- oder islamfeindlich einzuschätzende, zumindest integrationsfeindliche Werke Aufnahme in solch eine Liste finden müssten. Oder ist das Verfassen integrationsfeindlicher Schriften nur muslimischen Autoren vorbehalten?

Auswahl der Autoren

Unmöglich ist auch, dass zum Beispiel in der muslimischen Welt sehr geschätzte Autoren wie Muhammed Hamidullah, der gerade unter Muslimen in Deutschland sehr geschätzte Murad Hoffmann, Mustafa Islamoglu usw. neben Autoren wie Usama bin Ladin oder Ayman az-Zawahiri Erwähnung finden. Schon dieser Umstand dürfte ausreichen, um solch eine Liste unter Muslimen in Deutschland der Lächerlichkeit preis zu geben und Fragen nach der Intention der Ersteller zu stellen. Aber auch bei manch anderen Autoren, mit deren Werken man ein Problem haben kann, bedürfen keiner Aufnahme in solch eine Liste mit Kurzkommentierung sondern der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Denn gerade die als grenzwertig anzusehenden Werke können nicht pauschal mit einem negativen Schlagwort versehen werden.

Werbewirkung der Liste für unbekannte Werke

Das Erstellen solch eines Indexes birgt aber auch noch eine weitere gewichtige Gefahr. Viele der Werke sind selbst dem Autor nicht bekannt, dürften auch der Mehrzahl der Muslime in Deutschland nicht bekannt sein, weder hinsichtlich der Titel noch der Autoren. Es wäre gerade die Liste selbst, die diese an sich breiten Kreisen unbekannten Autoren in das Blickfeld insbesondere der jungen Generation ziehen würde. Sie hätte damit eine entgegengesetzte Wirkung zur eigentlichen Intention.

Zudem scheint die tatsächliche Absicht, die mit einer solchen Liste verbunden ist, nicht das Verbot von Werken der Autoren wie Usama bin Ladin oder Ayman az-Zawahiri zu sein. So sehr diese Autoren die Relevanz des Vorhabens belegen sollen, so sicher zielt die Liste nicht auf diese Autoren ab. Denn die Sicherheitsbehörden wissen, dass Werke solcher Autoren nicht in den Institutionen der hier vertretenen islamischen Religionsgemeinschaften zu finden sind und diese aufgrund selbstbestimmter Kriterien dieser Institutionen nicht verbreitet werden.

Zu der Literaturliste kann insoweit nur festgestellt werden, dass solche Indizes ohne eine gesetzliche Grundlage nicht möglich sind, in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung haben sie ihre Berechtigung höchstens noch in Bereichen des gesetzlich geregelten Jugendschutzes.

Integration ist nicht Terrorismusbekämpfung

Was wir brauchen, ist kein öffentlichkeitswirksamer Dialog zwischen Muslimen und Sicherheitsbehörden und keine präventiven Literaturbannlisten, egal in welcher Form sie erstellt werden. Was wir brauchen, ist die Möglichkeit der individuellen und korporativen Integration und Partizipation in der Gesellschaft. Das Thema “Integration” muss positiv besetzt werden, eine Gewichtung dieser als eine weitere Form der Terrorismusbekämpfung schadet den gemeinsamen Anstrengungen und kann daher auch nicht erfolgreich sein. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die aktuelle Publikation des Bundesverfassungsschutzamtes mit dem Titel „Integration als Terrorismusprävention“.

Vertrauensbildende Maßnahmen

Vertrauensbildende Maßnahmen kann es nur im Zusammenwirken einer breiten gesellschaftlichen Schicht gegen. Auf Seiten der muslimischen Gemeinden ist die Bereitschaft zu einer größeren Vernetzung und dem Eingehen einer korporativen Integrationsarbeit, bei der die muslimischen Gemeinden sowohl als wichtige Multiplikatoren als auch zuverlässige Akteure ihren Beitrag leisten können, da. Diese Offenheit erwarten wir aber auch von staatlichen Akteuren. Um die Menschen in den muslimischen Gemeinden besser und viel nachhaltiger erreichen zu können, müssen die Brücken, die durch die Gemeinden gebaut werden, viel besser genutzt werden. Hierzu bietet das religionsverfassungsrechtliche Modell sehr viele Kooperationsmöglichkeiten. Diese müssen angegangen werden.

Angebote islamischer Gemeinden

Islamische Gemeinden, die durch das Bieten der Möglichkeit, religiösen Bedürfnissen hier in Deutschland nachgehen zu können, viel dazu beigetragen haben, Fremdheitsgefühlen entgegenzuwirken, sind beste Plattformen, um religiöse Menschen, die man andernorts vielleicht weniger erreicht, in den Moscheen zu erreichen. Dies setzt voraus, dass die Moscheen effektiver in zivilgesellschaftliche gemeinnützige Strukturen eingebunden werden. Die in den Moscheen angebotenen zahlreiche Integrationsangebote wie z.B. Sprachkurse, Hausaufgaben- und Nachhilfekurse werden ohne öffentliche Förderung geleistet.

Gesellschaftliches Wirken der Gemeinde

Hier könnte man ansetzen und Unterstützung anbieten. Die Jugendarbeit in den Moscheen, die einen Rahmen bietet, in dem die Jugendlichen ihre Freizeit sinnvoll gestalten können, könnten durch eine verbesserte Kooperation mit verschiedenen anderen NGOs, die sich auf Bildung, aber auch Drogen- und Kriminalitätsprävention spezialisiert haben, verstärkt werden. Die Gemeinden bemühen sich auch um die Sensibilisierung von Eltern für die schulischen Bedürfnisse ihrer Kinder und die Anregung zur Mitarbeit an schulischen Gremien und der Teilnahme an Elternabenden und schulischen Veranstaltungen. Eine Kooperation mit örtlichen Schulen, die es in den meisten Fällen nicht gibt, weil man hier eine Islamisierungsfalle sieht, könnte neue Wege aufzeigen, um die Bildungsmisere unter Migrantenkindern mal anders anzugehen. NGOs, die sich Sorgen um die Gleichberechtigung von Frauen und deren selbstbestimmtes Leben machen, könnten anstelle des öffentlichkeitswirksamen erhobenen Zeigefingers einen Einblick gewinnen und bei dem Bemühen, jungen Mädchen zur Wahrnehmung von Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten anzuregen, mithelfen. Sie könnten dabei eine Rolle spielen, dass gut ausgebildete, teilweise studierte junge Frauen mit ihrem Glauben eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen – auch im behördlichen Bereich.

Ausblick

Dies wären Wege, um Vertrauen sowohl in der Mehrheitsgesellschaft als auch unter muslimischen Migranten aufzubauen, ohne dass zuvor eine Stigmatisierung vorgenommen wird und Verdachtsmomente zum bestimmenden Element des Umgangs miteinander werden. Der „Dialog“ mit den Sicherheitsbehörden steht aber wie ein Wall vor solch einem Engagement, da dieser das Misstrauen nachhaltig zementiert. In diesem Sinne wird dieser von uns auch weiterhin abgelehnt werden.

Nachbetrachtung während der erneuten Verfügbarmachung des Beitrags am 12. Januar 2018

Dieser Beitrag wurde vom Autor als Entwurf für eine Stellungnahme des Islamrats zu den Entwicklungen in der damaligen ersten Phase der Deutschen Islam Konferenz ausgearbeitet und tatsächlich dann mit einigen Erweiterungen als 090121 Stellungnahme des Islamrats zu aktuellen Themen im Gesprächskreis der DIKveröffentlicht.

Ich hatte ja bereits angekündigt, mein altes Textarchiv der auf igmg.org nicht mehr abrufbaren Texte auf den eigenen Blogs wieder bereitzustellen. Heute habe ich einen Entwurf von Anfang 2009 für eine Stellungnahme des Islamrats zu Entwicklungen in der damaligen ersten Phase der Deutschen Islam Konferenz online gestellt.

Die Deutsche Islam Konferenz gehört meiner Meinung nach zu den wirkmächtigsten Erfahrungen, die der organisierte Islam in Deutschland nach dem 11. September 2001 gemacht hat. Insbesondere war die Konferenz für uns eine besondere intellektuelle Herausforderung. Wir mussten uns in einer Art und Weise mit Inhalten und Themen beschäftigen, die weit über den sonst bis dorthin gepflegten Moscheeführungs-Topos hinausgegangen sind. Dass dieser Zeitraum und diese Erfahrungen noch weitgehend unerforscht sind, ist mehr als schade.

Der Text ist insofern auch im Rahmen der Diskurse in der ersten DIK-Phase zu verstehen. Geprägt war diese Phase einerseits von sehr intensiven Konflikten, aber auch von ersten Funken des gegenseitigen Kennenlernens und Verstehens. Bei der erneuten Lektüre nun nach Jahren fiel mir zudem auf, dass sehr viele der Vorschläge aus dem Papier was den kommunikativen und praktischen Austausch angeht, in der dritten Phase der DIK tatsächlich umgesetzt worden ist. Viele, nicht alle, der Kritikpunkte wurden offensichtlich umgesetzt, konstruktive Vorschläge positiv aufgegriffen.

So gesehen, empfand ich die erneute Lektüre auch als ermutigend. Aus der ersten Zeit der Veröffentlichung damals kann ich mich noch an den Frust erinnern, da an eine kurzfristige Wirkung dieser Beiträge gar nicht zu denken war. Es ging sogar vielmehr darum, überhaupt die eigene Sprachfähigkeit aufrecht zu erhalten. Mittlerweile wird aber deutlich, dass die mittelfristige Wirkmächtigkeit dieser Beiträge sogar weit über den damaligen eigenen Hoffnungen liegt.

Der Text entstammt zwar meiner Feder, er war jedoch das Resultat eines intensiven Diskurses, der damals innerhalb des Generalsekretariats der IGMG geführt worden ist. Eines Diskurses, der sehr stark geprägt war von Selbstkritik, Erkenntnissen der eigenen Unfähigkeiten und der Suche nach Möglichkeiten der Überwindung dieser eigenen Unzulänglichkeiten. Er spiegelt insofern einen nicht abgeschlossenen Prozess der Selbstermächtigung und Verortung im hier und jetzt wieder. Im Rückblick muss ich leider feststellen, dass uns die institutionelle Verankerung dieser Haltung nicht gelungen ist – auch sichtbar daran, dass die wichtigsten Akteure dieses Diskurses dort keinen Raum mehr im institutionellen Innenleben mehr haben.

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