Die Kritik und die Empörung über die Islam-Landkarte in Österreich hat ihre Berechtigung. Das öffentliche Kategorisieren von Moscheen ohne die Möglichkeit eines Zuwortkommens der Betroffenen mag zwar die Funktion eines öffentlichen Prangers erfüllen, wird aber dem Anspruch einer wissenschaftlich sauberen Arbeit nicht gerecht.
Es ist der Charakter eines offiziösen Markierungsregisters, die wahrscheinliche Konsequenzlosigkeit von bewusst oder unbewusst verbreiteten Falschinformationen und – einordnungen, die Simulation von Sachlichkeit und Objektivität bei gleichzeitiger Oberflächlichkeit hinsichtlich der tatsächlich vorhandenen Sorgenkinder innerhalb der muslimischen Community, das sind nur einige Punkte, die mich an dieser “Islam-Landkarte” stören.
Was mich an ihr nicht stört, ist das Auflisten von Moscheen und ihrer Adressen an sich. Das diesbezügliche angeführte Argument der Anschlagsgefahr kann sicherlich nicht ignoriert werden, es kann aber nicht zum einzig bestimmenden Kriterium des öffentlichen muslimischen Lebens erhoben werden. Damit würden gerade diejenigen, die mit Drohungen und auch tatsächlichen Angriffen gegen die Sichtbarkeit von Muslimen in der Öffentlichkeit vorgehen, die Bestimmungshoheit über diese Sichtbarkeit erhalten. Muslimische Sichtbarkeit würde davon abhängig gemacht werden, inwieweit sie von bestimmten Kreisen zugelassen wird, nicht davon, inwieweit Muslime selbstbestimmt sichtbar sein wollen.
Dieser Gefährdungs-Argumentation steht auch entgegen, dass in Österreich zwar nicht die IGGÖ, aber Organisationen wie die ATIB oder die Islamischen Föderationen (z.B. die Islamische Föderation Wien) auf ihren Webseiten Namen, Adressen und Kontaktdaten ihrer angegliederten Moscheen veröffentlichen. Machen damit diese Institutionen ihre Moscheen zur Zielscheibe, wollen sie damit Islamfeinden die Arbeit leichter machen? Natürlich nicht. Die reine Veröffentlichung von Moscheeadressen ist – wie bereits gesagt – nicht das Problem der Islam-Landkarte. Die Islam-Landkarte nimmt eher eine einseitige Kontextualisierung vor, die suggeriert, man brauche sich nicht mit der einzelnen Gemeinde vor Ort auseinandersetzen, da dies nun zentral von Experten erledigt wird. Dies öffnet der Pauschalisierung und der Generalisierung des Verdachts Tür und Tor – eine Verlockung, der es schwer zu widerstehen sein wird.
Es gibt in Österreich mit der IGGÖ zwar eine gemeinsame muslimische Vertretung, diese scheint jedoch nicht in der Lage zu sein, die Darstellung der in ihr organisierten Moscheen in die eigene Hand zu nehmen. Kontaktdaten von Gemeinden in einer Stadt müssten bei Interesse, egal ob man da als Muslim mal beten will oder eine Moschee kennen lernen will, über die fragmentierten Seiten der Einzelverbände zusammengesucht werden.
Das Fehlen eines solchen eigenen Überblicks steigert jedoch wiederum den Wert der Islam-Landkarte. Selbst wenn die Markierungen und Einordnungen der Autoren nicht geteilt werden, wird man sich beim Einsatz dieses Werkzeugs ertappen. Mit der Schaffung eines Überblicks über die Moscheenlandschaft in Österreich ist sie den fragmentierten Angeboten der Verbände funktional weit voraus. Das Fehlen eines eigenen Überblicks erhebt das “alternative” Angebot zur Hauptinformationsquelle über Moscheen in Österreich.
Moscheen in Deutschland
Die Diskussion in Österreich um die Islam-Landkarte wirft natürlich auch ihre Schatten nach Deutschland. Wie sieht es eigentlich hierzulande mit der Erreichbarkeit von Informationen zu Moscheegemeinden aus. Woher kann ich als MuslimIn oder interessierte Nicht-MuslimIn mich darüber informieren, wo ich eine Moschee finden kann, welche Angebote es gibt, mit wem ich es in den einzelnen Institutionen zu tun habe?
Seit einigen Jahren gibt es private Projekte von MuslimInnen, die mit viel persönlichem Einsatz und einiger Unterstützung aus der Community versuchen, eine öffentlich zugängliche Datenbank von Moscheen anzubieten. Eines der bekanntesten Angebote (https://www.moscheesuche.de/) konnte aber zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels nicht aufgerufen werden.
Eher ernüchternd ist der Blick auf die Webseiten der muslimischen Verbände und Dachverbände in Deutschland. Bei dem Dachverband fast aller Dachverbände, dem Koordinationsrat der Muslime finden wir überhaupt keine Moscheegemeinden. Es gibt lediglich eine Vorstellung der Mitgliedsverbände und jeweils einen Link auf deren Webseiten.
Auf der nächsten Ebene, beim Islamrat und dem Zentralrat wird nicht einmal die Liste der Mitgliedsverbände angeboten. Beim Islamrat ist so eine Kategorie schon im Menü nicht vorgesehen, beim Zentralrat sind die entsprechenden Inhalte mit dem Verweis auf Sicherheitsmaßnahmen im Oktober 2016 entfernt worden. Auf der Seite islam.de, die sich mit dem Zentralrat im Impressum die selbe Hausadresse teilt, gibt es zwar eine Moscheesuche, diese scheint jedoch nicht zu funktionieren. Sie liefert mit der Meldung “Sendung nicht erfolgreich” keine Ergebnisse.
Die moschee-betreibenden Dachverbände pendeln zwischen den Vorgehensweisen, gar keine Gemeinden abzubilden oder es bei der Nennung zumindest der eigenen Gemeinden zu belassen. ATIBund DMG(ehemals IGD) bieten keine Gemeindeliste an, der Zentralrat der Marokkaner (ZRMD) noch nicht einmal eine Webseite. DITIB, VIKZ, Ahmadiyya, UIAZD und, wenn man das Bosnische etwas versteht, die IGBD bieten eine Liste der eigenen Gemeinden mit Kontaktdaten an. Die IGMG hat die ehemals umfangreiche, auch Nichtmitglieds-Gemeinden umfassende Moscheedatenbank seit einem Relaunch von ihrer Webseite genommen. Die eigenen Gemeinden können nur noch über eine IGMG-App für Smartphones abgerufen werden.
Ein gemeinsames Angebot der muslimischen Verbände, das einen Überblick über die Moscheelandschaft schaffen könnte, gibt es nicht. Auch fehlt es weitgehend an Informationen, welche Angebote, Dienstleistungen und Infrastruktur in den einzelnen Gemeinden bereitgestellt werden. Dazu muss man, wenn es sie denn gibt und sie noch aktualisiert werden, die Webseiten der einzelnen Moscheegemeinden aufsuchen.
Letztendlich bestätigt die Suche nach einem Überblick zur Moscheelandschaft in Deutschland wieder einmal nur das Bild einer zutiefst fragmentierten, wenig kooperationsfähigen und intransparenten muslimischen Verbandslandschaft. Mit Constantin Schreibers “Moscheepedia” steht jedoch auch in Deutschland bereits ein Akteur am Start, der sich wenig um Verbandsgrenzen und das Selbstverständnis der Gemeinden kümmern wird. Trotz berechtigter Zweifel an der Sachlichkeit und Objektivität seiner bisherigen Arbeit zum muslimischen Innenleben (z.B. von Eren Güvercin oder Behnam Said), wird wohl auch hier mangels eigener gemeinsamer Angebote der muslimischen Verbände, die “Alternative” zur Hauptinformationsquelle der Öffentlichkeit über das Wirken von Moscheen in Deutschland werden. Die obligatorische Klage der Verantwortlichen in den muslimischen Verbänden über ihre Ohnmacht angesichts dieser Situation ist so sicher wie das Amin in der Moschee – das Entstehen eigener gemeinsamer Angebote jedoch nicht.