Deutsches Ärzteblatt - Verbot der Beschneidung bei Juden und Muslimen

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Im Deutschen Ärzteblatt wird in der August 2008 Ausgabe Ärzten empfohlen, keine religiös begründete Beschneidung bei muslimischen und jüdischen Jungen durchzuführen. „Wenn keine medizinische Notwendigkeit besteht, sollte der Eingriff vom Arzt abgelehnt werden“, schreiben die Autoren Dietz/Stehr/Putzke.

„Wir finden keinen Arzt mehr, der eine Beschneidung unseres Sohnes durchführen will.“ Diese Beschwerde wurde letzte Woche an die Antidiskriminierungsstelle der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs gerichtet. Immer mehr Eltern aus dem Raum Kassel klagen darüber, dass Ärzte grundsätzlich nicht mehr bereit sind, die Beschneidung bei ihren Söhnen vorzunehmen.Es ist ein aktueller Artikelim Deutschen Ärzteblatt, der den Anstoss gegeben hat, damit Ärzte vor dieser Maßnahme zurückschrecken lässt. Dabei gab es bisher kaum Probleme, die diese Ablehnung begründen würde.

Mit Sorge beobachtet die Antidiskriminierungsstelle der IGMG seit einigen Monaten auftretende Publikationen mancher Autoren zum Thema Beschneidung von Jungen. Darin sprechen sich die Autoren dafür aus, dass Ärzte den elterlichen Willen zur Beschneidung ihres Sohnes aus religiösen Gründen bei Juden und Muslimen ablehnen sollen. Bisher beschränkten sich diese Artikel auf die Darlegung einer von kaum einem Juristen beachteten Meinung. Dies änderte sich jedoch mit dem Beitragvon Maximilian Stehr, Holm Putzke und Hans-Georg Dietz in der August 2008-Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts.

Die Autoren des Beitrags empfehlen Ärzten, die Beschneidung von muslimischen und jüdischen männlichen Kindern strikt abzulehnen und diese nicht mehr zu beschneiden. Mit keinem Wort erwähnen sie jedoch, dass die von ihnen vertretene Meinung eine exotische Mindermeinung ist. Stattdessen schrecken sie mit ihrem Beitrag bewusst praktizierende Ärzte davon ab, Beschneidungen aus religiösen Gründen bei muslimischen und jüdischen Jungen durchzuführen.

Um diese massiv diskriminierende und die Religionsfreiheit der Betroffenen stark einschränkende Maßnahme zu begründen, betätigen sich die Autoren sogar als Koran- und Bibel-Exegeten. Dabei schreiben sie Juden und Muslimen vor, wie sie ihre Religion zu verstehen haben: „Während es im Islam keinen allseits verbindlichen Zeitpunkt für die Beschneidung gibt, orientiert das Judentum sich an den Worten der Bibel, worin der achte Tag nach der Geburt erwähnt wird. Es werden aber auch Ausnahmen zugelassen, etwa bei Krankheit oder körperlicher Schwäche. In derartigen Fällen wird man nicht ein Gläubiger zweiter Klasse, weshalb nichts dagegen spricht, solche Ausnahmen zu erweitern und die Beschneidung zu verschieben…“. Das Urteil der Autoren ist klar: „Es gibt also keine zwingenden Argumente, womit sich eine religiöse Beschneidung Minderjähriger begründen lässt.“ (Zirkumzision bei nicht einwilligungsfähigen Jungen: Strafrechtliche Konsequenzen auch bei religiöser Begründung; Maximilian Stehr, Holm Putzke und Hans-Georg Dietz in Deutsches Ärzteblatt, Jg. 1051 Heft 34-35, 25. August 2008, S. 1780).

Noch expliziter äußert sich Professor Günter Jerouschek dazu: „Im Geltungsbereich des Grundgesetzes aber wiegen die Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unversehrtheit schwerer als das Recht der Eltern, ihre Kinder zu verletzen, um der Religion, und sei es auch nur vermeintlich, Genüge zu tun. Den Eltern einen solchen Aufschub zuzumuten, scheint mir umso erträglicher zu sein, als es im muslimischen Bereich keine religiös verbindlichen Altersvorgaben für die Vornahme der Beschneidung gibt, mithin eine Erwachsenenbeschneidung ohne weiteres korankonform ist, und die Juden nicht aus ihrer Religion herausfallen, wenn sie nicht als Säuglinge beschnitten worden sind.“ (Beschneidung und das deutsche Recht – Historische, medizinische, psychologische und juristische Aspekte; Professor Dr. Günter Jerouschek; NStZ 2008, Heft 6, S. 319)

Stehr, Putzke und Dietz weisen in ihrem Beitrag im Ärzteblatt zwar darauf hin, dass Eltern das Recht haben, „das Leben und die Entwicklung des der Personensorge unterstellten Kindes mehr oder weniger frei von jeglicher Bevormundung zu gestalten, erst recht, wenn es um religiöse Belange geht“. Dieses Recht soll aber bei der religiös bedingten Beschneidung von ärztlicher Seite abgelehnt werden. Der Beschneidung bei Jungen sollen demnach medizinische Kreise schon länger kritisch gegenüber stehen, führen Stehr, Putzke und Dietz an, verweisen jedoch als Beleg wiederum nur auf eigene Beiträge. Dies dürfte sicherlich daran liegen, dass man der Beschneidung bei Jungen in medizinischen Kreisen gerade nicht kritisch gegenüber steht, diese Praxis sogar von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen wird.

Weiterhin stellen die Autoren die Frage, ob eine ihrer Ansicht nach „medizinisch nicht notwendige Zirkumzision [Beschneidung bei Jungen] als strafbare Körperverletzung im Sinne des § 223 Absatz 1 des Strafgesetzbuches (StGB) einzustufen“ ist, verschweigen jedoch, dass diese Frage bei jedem medizinischen Eingriff gestellt werden kann, ja sogar muss. Grundsätzlich bleibt der medizinische Eingriff nur bei Vorliegen einer rechtfertigenden Einwilligung in die Maßnahme straffrei. Ein spezifisches Verbot der Beschneidung, wie es der Beitrag versucht zu suggerieren, gibt es nicht.

Tatsächlich vertreten die Autoren nur eine extreme Mindermeinung. Denn die religiöse Beschneidung von Jungen wird oftmals schon als tatbestandlos, dh. Als eine Straftat gar nicht begründend oder zumindest durch die Einwilligung der Eltern als ausreichend gerechtfertigt angesehen. Ob die Autoren in der juristischen oder medizinischen Debatte diese Mindermeinung verteidigen, mag ihnen überlassen sein. Fatal ist jedoch, dass diese wage Theorie, die zumal neben der herrschenden Meinung in der Literatur auch der bisherigen Entscheidungspraxis der Gerichte widerspricht, in einem Ärzteblatt als einzig annehmbare präsentiert wird.

Die kampagnenartige Thematisierung deckt sich in der Argumentation mit zahlreichen anderen vermeintlichen Problemen der Gegenwart. Wieder geht es um die religiöse Komponente im Leben der Muslime, die als „kindeswohlgefährdend“ angesehen wird. Dabei legen die Autoren eine immense Rücksichtslosigkeit an den Tag, wenn es um das Verständnis von religiösen Bedürfnissen und den Stellenwert im Leben des Menschen angeht. Deutlich wird dies besonders bei den vermeintlichen Lösungsansätzen, die sie vorschlagen: Wenn man es schon nicht ganz lassen kann, solle man doch warten, bis die Kinder 16 oder 18 Jahre alt sind, wie es Dr. Holm Putzke in einem anderen Beitrag anführt (Juristische Positionen zur religiösen Beschneidung, Dr. Holm Putzke in NJW 2008, Heft 22, S. 1570). Damit wäre die bei Juden nach biblischem Gebot am 8. Tag vorgeschriebene und bei Muslimen in Kleinkinderalter durchgeführte Beschneidung nach Ansicht der Autoren nicht mehr durchführbar.

Würden „nicht einwilligungsfähige Jungen zirkumzidiert, [sei] darin eine rechtswidrige Körperverletzung i.S. des § 223 StGB zu sehen, selbst wenn die Inhaber der Personensorge zuvor in den operativen Eingriff eingewilligt“ (aaO.), ist das Fazit, das Dr. Putzke zieht. Letztendlich konstruieren Dr. Putzke, Prof. Jerouschek und andere eine vermeintliche Rechtsunsicherheit bezüglich der Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen, um schließlich die ihren religiösen Geboten nachkommenden Eltern zu kriminalisieren. Ein rein wissenschaftliches Anliegen kann man dahinter kaum vermuten.

Links zum Beitrag:

Antisemitismus auf Abruf: Das Deutsche Ärzteblatt und die jüdischen Mediziner 1918-1933

Geschichte des Nationalsozialismus

Rassismus und Antirassismus

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